Vom argentinischen Seengebiet nach Santiago de Chile


Nein, jetzt nur keine Reifenpanne – beim Aufpumpen nach der Überquerung des Paso Frias bemerkten wir das kaputte Ventil am Hinterreifen. Gerade hatten wir einige Nächte wild gecampt, waren geschlaucht von den vielen Pistenkilometern und hatten null Bock auf Reifen wechseln. 



Ordentlich aufpumpen und fahren war die Devise. Einer von uns fuhr, der andere hielt den Reifen durch den Aussenspiegel im Auge. Mit vereinten Kräften schafften wir es bis Gobernador Costa. Ein abgelegener Winzlings Ort aber Hauptsache eine Gomeria, das spanische Wort für Reifenwerkstatt war zu finden.

Am frühen Nachmittag war natürlich wie immer in Argentinien alles geschlossen. Wir wechselten ein paar Meter weiter zur YPF Tankstelle des staatlichen Mineralölkonzerns und versüssten uns die Wartezeit mit einer leckeren Schwarzwälder Kirschtorte und recht passablen Internet. Die kleine Werkstatt entpuppte sich schlussendlich als Glücksgriff. Wir nutzten die Situation und liessen auch gleich einen Ölwechsel durchführen und alle vier Reifen diagonal ummontieren damit sie sich gleichmässiger abfahren und der Verschleiss reduziert wird.


In Rekordtempo war alles ruck zuck erledigt. Der Besitzer wechselte sogar noch Dollar zu einem guten Kurs und wir sparten uns die Spesen beim Bankomaten. Langsam erreichten wir das Ende Patagoniens und tauchten in eine neue uns vertraute Landschaft ein. Die kargen Steppenlandschaften wichen Wäldern, Bergen und Seen. Wir fühlten uns ein bisschen wie im österreichischen Salzkammergut, andere nennen es auch die argentinische Schweiz.


Es begann in El Bolson, einer kleinen Stadt mit Hippie Flair. Auswanderer, Aussteiger, Alternative aus aller Welt wählten diese hügelige sehr fruchtbare Gegend als neue Heimat und versuchen sich am Selbstversorger Leben. Manche probieren mit selbst gebastelter Handwerkskunst etwas Geld zu verdienen oder bieten touristische Aktivitäten an. In Verkaufsständen auf der örtlichen Plaza findet sich von hausgemachten Marmeladen über Schnitzereien und einfachen Schmuckwaren ziemlich alles was zum Verkauf geeignet ist.
 Ein kleiner Bummel war ganz nett aber sonst hatte der Ort für uns nicht viel zu bieten, wir fanden ihn überbewertet.


Das Gegenteil von genügsamen Aussteiger Dasein findet sich in der Stadt Bariloche. Sie zählt zu einer der Nobeldestinationen Argentiniens. Im Winter kommt man zum Schifahren und im Sommer zum Fischen oder Erholungsurlaub. Die ersten Aussenbezirke erinnerten aber so gar nicht an Reichtum. Bariloche ist eine Grossstadt mit Barackensiedlungen am Stadtrand. Wir hörten und lasen dass es hier eine erhöhte Kleinkriminalitätsrate geben soll, nicht verwunderlich bei dieser Nähe von arm und reich.


 Das einzige was uns an der Stadt gefiel war die Lage direkt am Lago Nahuel Nuapi, einem grossen glasklaren Gletschersee. Die Strasse führte uns entlang des Seeufers weiter auf die gegenüberliegende Seite des Sees. Dort fanden wir einen wunderschönen, romantischen kleinen Campingplatz und blieben gleich mehrere Tage. Es war zugleich ein beliebter Platz für Fliegenfischer. Forellen und Lachse, die sich vom Meer flussaufwärts bis in den See hocharbeiten bevölkern das glasklare Wasser des Sees. Wir hätten sogar eine Angel dabei aber ohne Fischerkarte war es nicht erlaubt sie auszuwerfen.


Auf der Weiterfahrt durchquert man den nächsten Nobelort, Villa Angostura. Am frühen Vormittag waren noch alle Geschäfte geschlossen und statt einem entspannten Einkaufsbummel führte unser Weg nur in die Anonima Supermarktkette. Die Ausbeute war ganz gut, ein Blick auf das Sortiment und man merkt die Kaufkraft der Gegend. Später bescherte uns ein Radrennen einen ungeplanten Stopp auf einem Parkplatz. Die Strasse war für drei Stunden gesperrt. Wir nutzten die Zeit als Mittagspause, packten die Campingsessel aus und genossen den Ausblick auf den See. Schon toll wenn man immer alles dabei hat.


 Auf extrem kurviger und hügeliger Strasse ging es weiter. Es folgte ein See nach dem anderen, viel Waldlandschaft und natürlich Berge. Fotomotive ohne Ende und Alfred hätte am liebsten jeden Berg abfotografiert. Drei Kilometer abseits der Asphaltstrasse fanden wir einen idyllischen Seecamping Platz inmitten von Kühen und Pferden.


 Übrigens ist man in Argentinien auch auf Hauptstrassen oft ohne Telefonnetz unterwegs. Das Land hat eine extrem schlechte Netzabdeckung, von Internet gar nicht zu sprechen. Viele Orte bieten deshalb freies Internet am Hauptplatz. Dort versammelt sich dann Jung und Alt und alle starren in ihre Smartphones. Wir nutzten diese Gelegenheit in San Martin de los Andes. Ein weiterer beliebter Ausflugsort mit Seezugang.


An der gepflegten Strandpromenade genossen wir unser Mittagessen, diesmal gab es Schnitzelsemmel, eine echte Leckerei. Eine neue Erfahrung für uns war wie andere Reisende ihren Hunger stillen. An der angrenzenden Parkbank beobachteten wir ein junges deutsches Traveller Paar das an rohen Karotten nagte. Vielleicht waren es Vegetarier aber zumindest wissen wir seither wie man richtig billig reist. Der nächste Ort hiess Junin de los Andes und bescherte uns eine anderes Erlebnis. Wir wollten zum Campingplatz doch dieser lag auf einer Insel im Fluss und die Brücke dorthin bestand nur aus alten Holzbalken von denen einige bereits eingebrochen waren. Wir verzichteten darauf es auszuprobieren und übernachteten lieber in einer Sackgasse im Wohngebiet. 


Am nächsten Tag verwandelte sich die Landschaft wieder in Wüste und die hohen Berge wichen zurück. Seit einiger Zeit spielten wir mit dem Gedanken auf die Osterinseln zu fliegen. Die Frage war wie sich Lage in Chile in den letzten Wochen entwickelt hatte. Für ein Update brauchten wir dringend wieder Internetzugang.

 In Chos Malal, einer Palmenoase inmitten der Wüste wurden wir fündig. Am Gemeinde Campingplatz erledigten wir gleichzeitig die typischen Unimog Servicearbeiten, also Vorgelege Ölstände kontrollieren, Wäschewaschen und nutzten das rare 3G Netz um die neuesten Meldungen aus Chile abzurufen. In den Grossstädten war die Lage weiterhin ausser Kontrolle. wir beschlossen trotzdem die Osterinseln zu besuchen aber die Hauptstadt Santiago so gut es geht zu umfahren.


 Spontan änderte diese Entscheidung die Streckenwahl und wir überquerten ein weiteres Mal die Anden, diesmal am Paso Pehuenche. Ab jetzt waren wir nach Zeitplan unterwegs, sehr ungewohnt. Die Einreise nach Chile war mühsam. Erstmalig erlebten wir eine richtige Kontrolle und Suche nach verbotenen Lebensmitteln. Der chilenische Zöllner zog sich sogar Plastikhandschuhe über, ein schlechtes Zeichen. Nachdem er auch noch das Bett durchwühlt hatte gab er auf. Der Paso Pehuenche ist durchgehend asphaltiert aber die Abfahrt ins Tal dauerte trotzdem denn es ging steil bergab und der Unimog hat keine Motorbremse.


Wir mussten im niedrigen Gang in Schleichfahrt nach unten. Es war Wochenende und wir hatten das Gefühl dass jeder Chilene auf den Beinen war. Der Pass wird als Ausflugs- und Campingparadies genutzt und auf unserem Übernachtungsplatz an einem gemeindeeigenen Badeseeufer im Tal versammelte man sich zum Grillen, Baden und Feiern. Erst spät in der Nacht wurde es ruhiger. Nach einem langen Fahrtag und zahlreichen Mautstationen erreichten wir tags darauf Santiago, die Hauptstadt Chiles. Unser erster Weg führte sofort zur Mercedes Werkstatt. Die Undichtigkeiten an Getriebe und Motor beim Unimog waren zwischenzeitlich so ausgeartet dass der gesamte Motorraum mit einem Ölfilm überzogen war und es stetig tropfte.


 Was folgte war frustrierend. Die Serviceannahme zeigte wenig Begeisterung für unser Anliegen, wir sollten nach zwei Tagen wieder kommen, man würde dann entscheiden ob die Reparatur innerhalb einer Woche erledigt werden kann oder nicht. Ein diplomatisches Statement um nicht gleich nein sagen zu müssen und für uns ein No-Go. Klar unser Auto war staubig, schmutzig und ölig und passte gar nicht zu den neuen glänzenden Mercedes Fahrzeugen am Firmengelände aber das hatte der Unimog nicht verdient. Wahrscheinlich war das Problem dass wir ohne Termin hineinschneiten und diese Werkstätte auf Spontanreparaturen nicht eingestellt ist.


 Jedenfalls hätten wir uns die hektische Anreise sparen können denn jetzt mussten wir zwei volle Tage auf den Abflug warten und das am Rande einer Millionenstadt ohne Campingplätze und mit täglichen nächtlichen Demonstrationen und Verwüstungen. Am sichersten erschien uns noch eine Autobahntankstelle nahe des Flughafens. Ein Platz den man sich nicht freiwillig aussuchen würde. Eingepfercht zwischen zwei Autobahnen verbrachten wir dort zwei lärmende Tage und Nächte bis wir am letzten Abend auf den Parkplatz des Flughafens umsiedelten um dort direkt in der Verlängerung der Startbahn eine weitere Nacht auszuharren bis es endlich los ging.