Wie ein Expeditionsmobil entsteht


Zuerst war es ein Gefühl dass sich später in unseren Köpfen zu einem fixen Traum manifestierte. Der Wunsch nach einem grösseren luxuriöseren Expeditionsmobil mit mehr Leistung und Langstreckentauglichkeit. 

Obwohl wir die Kompaktheit und Wendigkeit des Unimogs sehr schätzten machten uns mit den Jahren des Reisens die Beengtheit und die rauen Fahreigenschaften mehr und mehr zu schaffen. Besonders schwierig war es an Orten wo wir nicht campen konnten sondern nur parken, oder an Tagen wo es darum ging grössere Distanzen zu überwinden und wir mit dem Unimog oft nicht einmal 400 Kilometer schafften weil er bei 70 km/h Höchstgeschwindigkeit eine Geräuschkulisse und Vibration entwickelte die uns völlig auslaugte. 

Die Sehnsucht nach mehr Fahrkomfort und Raumgefühl wuchs. Gleichzeitig war uns aber bewusst dass ein Fahrzeugtausch keine leichte und vor allem schnelle Geschichte sein würde. Einerseits wollten wir ja unterwegs sein und der Unimog befand sich im Ausland, damals in Südamerika. 

Doch dann kam die Pandemie. Die Länder schlossen ihre Grenzen, weiterreisen war unmöglich. 

Plötzlich hatten wir Zeit uns mit dem Gedanken intensiver zu befassen und wir begannen den Markt zu sondieren. Es war der perfekte Zeitpunkt für einen Wechsel.

Nach wenigen Wochen des Suchens folgte die Ernüchterung. Wir stellten fest dass unsere Wünsche und Vorstellungen an ein fertig ausgebautes Expeditionsfahrzeug nicht mit dem Marktangebot kompatibel waren. Immer gab es irgendwelche Ausscheidungsgründe, entweder passte die Raumaufteilung nicht, die Technik zu simple oder einfach der Preis zu hoch. Nach Kontaktaufnahme mit einigen Kabinen Herstellern gesellten sich auch noch unmögliche Lieferzeiten und astronomische Aufpreis Listen für etwaige Sonderwünsche dazu. Das überschritt bei weitem unser Budget.


Kompromisse eingehen war aber auch keine Option und so gab es nur eine Lösung - selber bauen.

Als erstes suchten wir ein Fahrgestell. In Deutschland fanden wir einen MAN HX60 vom britischen Militär. 400 km, praktisch neu, Baujahr 2008 –wir hatten schon eine Anzahlung geleistet als wir von der österreichischen Landesregierung die Info erhielten dass dieser in Österreich nicht zulassungsfähig sei weil er Euro 4 Norm hatte aber zum Zulassungszeitpunkt bereits Euro 5 vorgeschrieben war. Mit Glück konnten wir den Kaufvertrag rückabwickeln.


In Österreich fanden wir eine Firma die sich auf den Handel mit Militärfahrzeugen spezialisierte (www.offroadtrucks.eu). Unser Favorit war ein Steyr 1291, Bj. 1998 vom Schweizer Militär. Ein tolles Fahrzeug, genau die richtige Grösse mit hervorragender Geländetauglichkeit aber schlussendlich schreckte uns die Ersatzteilversorgung und die spartanische Fahrerkabine erinnerte zu sehr an den Unimog.



Ein Fahrzeug das uns zusagte gab es noch, einen Iveco Eurotrakker, ebenfalls aus Schweizer Armeebestand. Anfangs schieden wir ihn aus weil er mit einem Radstand von 4,70 Meter und einer Gesamtlänge von 8,50 Meter wie ein Monster auf uns wirkte aber die erste Probefahrt überzeugte sofort.


Im August 2021 unterzeichneten wir den Kaufvertrag. Bis zur endgültigen Typisierung dauerte es jedoch bis Dezember dafür war aber bereits die Umrüstung von Doppel- auf Einzelbereifung erledigt und ein grösserer Tank verbaut. Wir waren mit der Abwicklung sehr zufrieden.



Doch uns wurde sowieso nie langweilig. Nachdem wir  die Masse des Fahrgestells wussten begannen wir mit der Planung der Kabine. Nach ungefähr zwanzig Entwürfen und langen Debatten über Für und Wider der einzelnen Varianten waren wir uns sicher. 

Nach kurzer Suche fanden wir auch einen Fahrzeug Aufbauer (www.keller.co.at) dessen Kompetenz uns überzeugte das Projekt in Auftrag zu geben. Es folgte eine intensive Zusammenarbeit. 



Obwohl wir zwischenzeitlich nach Südamerika reisten um den Unimog zurückzuholen und fast 4 Monate unterwegs waren kümmerte sich Peter Keller und sein Team verlässlich um die Projektweiterführung. Sie konstruierten auch den Zwischenrahmen, die Aussenstaukästen und übernahmen den Einbau der Standheizungen und Fenster. Im März 2022 mit nur wenig Lieferverzögerung wurde die Leerkabine montiert und wir konnten endlich mit dem Ausbau beginnen.



Wir hatten bis dato bereits viel Arbeit und Zeit in die Planung und Materialbeschaffung investiert. Auch während unserer Reise waren wir ständig am überlegen und recherchieren wie wir den Ausbau umsetzen könnten.

Doch als dann das Fahrzeug im Rohzustand vor uns stand ging es erst richtig zur Sache.

Es war ein Mammutprojekt. Nicht nur einmal verliess uns zwischenzeitlich der Mut weiterzumachen. Es gab Momente wo wir nicht mehr wussten wie wir Dinge umsetzen sollten, die Detail Arbeiten wurden zunehmend kompliziert und wir stiessen mehrmals an unsere Grenzen. 



Vier Monate lang arbeiteten wir zu zweit fast durchgehend 7 Tage die Woche am Iveco. Das Projekt liess uns nicht einmal nachts los. Wir dachten dass wir Erfahrungen vom Unimog hätten aber es machte einen grossen Unterschied ob man in einem bestehenden Expeditionsmobil etwas verbessert und umbaut oder von Null beginnt.



Das Einzige das wir nicht selbst bauten waren die Möbel. Nur den Unterbau der Sitzbank und des Bettes mit Stauraumausstattung konstruierten wir aus Aluprofilen selbst. Den Holz Innenausbau übernahm die Tischlerei Martin Schlemmer (www.schlemmer.at). Wir waren sicherlich keine einfachen Kunden denn unsere Wunschliste war lang aber Martin hat unsere Begeisterung geteilt und einen tollen Job gemacht.



Rückblickend gesehen können wir kaum glauben was wir alles selbst bewerkstelligt haben. Wir wurden Architekten, Elektriker, Installateure, Konstrukteure, Handwerker, Lackierer und und und.



Doch jetzt ist das Monster fertig und abfahrbereit.

Am Ende hat doch alles gepasst, das Resultat hat die Mühe gelohnt aber einen weiteren Expeditions-LKW wollen wir nicht mehr ausbauen. Das Nervenkostüm hat stark gelitten.