Valdes - Wale schauen





Vor einem halben Jahr waren wir uns sicher dass wir Südamerikas Süden auslassen werden. Zu kalt, zu weit, zu viele Kilometer ohne Highlights.

Und jetzt, jetzt sassen wir da, eingehüllt in dicke Jacken mit Kapuze und Schal und beobachteten Wale.


An unserem Stellplatz in der Bucht von Valdes zogen sie in kaum fünfzig Metern Entfernung an uns vorbei. Glattwale die einmal im Jahr von Juni bis Anfang Oktober ihren Lebensraum, die Antarktis verlassen um in dieser geschützten Bucht ihre Babys zur Welt zu bringen. Wal Mütter mit ihrem Neugeborenen räkelten sich spielerisch im Wasser und streckten abwechselnd ihre riesigen Flossen, den wuchtigen Rücken oder die mächtigen Köpfe aus den Wellen.


Giganten der Meere direkt vor unserer Camping Haustür. Unsere Entscheidung nun doch Richtung Süden zu reisen war goldrichtig. Gedanken an die bevorstehenden Wetterlagen, Kälte, Regen, Schnee oder Stürme unterdrückten wir vorerst.


Damit wir nicht zu früh in diese raue Klimazone vorrückten verbrachten wir einige Wochen in Österreich. Den Unimog parkten wir während dieser Zeit in Buenos Aires und diesen Standort nutzten wir auch gleich um einiges zu erledigen. Die Batterien des Aufbaus hatten nach sechs Jahren ziemlich an Leistung eingebüsst, ein Tausch war dringend notwendig. Gel Batterien sind schwer aufzutreiben aber in Buenos Aires gab es einen Händler der sie im Programm hatte. Der Preis war extrem aber es gab keine Alternative. Der Unimog bekam neue Bremsbeläge und die Ventile eingestellt. Und die seit längerem andauernden Anlauf Probleme des Kühlschranks lösten wir mit der Verlegung einer stärkeren Zuleitung.


 Zurück in Argentinien brauchten wir drei Tage um den Jetlag loszuwerden. Vierzehn Stunden Flugzeit zwischen den beiden Kontinenten sind kein Honigschlecken. Die Starter Batterien des Unimogs waren auch wieder völlig leer und wir nutzten die Zeit um sie ordentlich aufzuladen.


 Vor Abfahrt noch ein Grosseinkauf im Supermarkt. Fast wäre er ins Wasser gefallen weil man uns mit dem Unimog die Einfahrt auf den Parkplatz verweigerte. LKWs waren nicht zugelassen. Wir mussten uns ausserhalb des Shoppingcenter Areals einen Stellplatz suchen, etwas ärgerlich.


 Dann konnte uns aber nichts mehr stoppen. Rund 3000 Kilometer lagen nun vor uns. Durch die weiten Steppen Patagoniens immer südwärts Richtung Feuerland.

Anfangs wählten wir die direkteste Route. Von Buenos Aires durchs Landesinnere zur Hafenstadt Bahia Blanca und dann immer geradeaus auf der Ruta 3 die uns bis nach unten begleiten wird. Einen netten Zwischenstopp legten wir in den Badeorten El Condor und Las Grutas ein. Im September befanden sich diese Orte noch im Dornröschen Schlaf. Die zahlreichen Hotels, Apartmentanlagen oder mondänen Ferienvillen werden erst im Sommer bevölkert und verwandeln die einsamen Strände schnell in quirlige Seebäder.


 Wir genossen die Ruhe der Vorsaison die auch auf der Halbinsel Valdes noch spürbar war. Neben einigen einheimischen Wohnmobilfahrern, die Argentinier sind grosse Campingfans trafen wir vermehrt auf europäische Overlander die ebenfalls nach Süden unterwegs waren. So viele Begegnungen waren wir von unserer letzten Tour nicht gewöhnt. Eigentlich sind wir eher Einzelgänger aber ab und zu ein Plausch oder ein Erfahrungsaustausch kann auch Spass machen und bereichert die eigene Sicht der Dinge.


 Valdes empfing uns mit herrlichen sonnigen Wetter und Temperaturen von bis zu 25 Grad. Sommerlich ist es trotzdem nicht. Es war zeitiges Frühjahr und meistens blies ein frischer kühler Wind. Die Morgentemperaturen lagen bei 10 Grad und es dauerte bis in den späten Nachmittag bis die Höchsttemperatur erreicht war. Für hiesige Verhältnisse herrscht aussergewöhnlich gutes Wetter und so nutzten wir die Gelegenheit im einzigen kleinen Ort der Halbinsel, Puerto Piramides einen Bootstrip zu buchen.


 Im Gegensatz zu Alfred bin ich extrem seeuntauglich und mir wird bereits beim Gedanken an Boote übel, doch mit einer Dosis Reisemedizin und starkem Willen meisterte ich die eineinhalbstündige Ausfahrt ganz passabel. Der Seegang war trotz leichter Brise ziemlich heftig. Nach einer Viertelstunde mussten sich die ersten Passagiere bereits übergeben. Aber ich hielt eisern durch, ich wollte unbedingt hautnah Wale sehen. Konzentriert starrte ich zum Horizont und vergass alles ringsherum als der erste direkt neben dem Boot auftauchte. Die Kapitänin erzählte dass sich derzeit rund 1000 Wale in der Bucht tummeln und nicht jeder Wal Boote mag. Eine Annäherung war nicht immer einfach.


 Nach dem Bootsausflug suchten wir uns wieder selbst einen einsamen Strandplatz. Ausserhalb des Nationalparks ist wildes campieren erlaubt und man findet genügend Plätze.
Besonders beeindruckend ist die Geräuschkulisse. Das Schlagen der Flossen auf die Wasseroberfläche, das Zischen beim Ausatmen der Luft oder die verschiedenen Kommunikations Laute. Wale sind Säugetiere die gelernt haben im Wasser zu leben. Sie können bis zu dreissig Minuten tauchen und erreichen dabei einige hundert Meter Tiefe.


 Die Zeit in Valdes verging wie im Flug und alles wäre perfekt gewesen wenn nicht der Unimog wieder einmal seinen Tribut forderte. Alfreds Ritual nach ungefähr 1000 Kilometern die Ölstände der Vorgelege zu prüfen und wieder nachzufüllen artete leider aus als er feststellte das Öl im Differenzial fehlte aber dafür aus dem Vorgelege herauskam. Hundert Kilometer später war es umgekehrt. So etwas passiert nur Unimog Fahrern. Ein unerklärliches Phänomen das wir hoffentlich bald aufklären können.