Paraguay – Durch den Chaco zur Drogengrenze




Was fällt einem zu Paraguay ein?
Genau – wenig.

Für manche ist es eventuell ein Begriff beim Thema Auswandern. Nur 5000 US Dollar Vermögen sind notwendig um eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen und doch ist das Land noch lange nicht überlaufen. Vielleicht weil es zu den ärmsten Südamerikas zählt, mit geringer Wirtschaftsleistung und kaum Tourismus .
Hochwasser im Chaco

Wir betraten Paraguay von der bolivianischen Grenze im Westen. Eine absolut abgelegene und spärlich besiedelte Gegend. Erst vor wenigen Jahren wurde die asphaltierte Strasse fertiggestellt. Nach den heftigen Regenfällen der vergangenen Wochen war die neu geteerte Ruta Transchaco die einzige Möglichkeit unsere Reise in dieser Richtung fortzusetzen. Unsere Absicht beim Grenzübergang Pozo Hondo einzureisen fiel im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser.

Das Gebiet in das wir wollten ist dennoch das Gleiche. Man nennt es Chaco, in der Quechua Indianer Sprache heisst das Jagdland, obwohl zumindest entlang der Strasse nichts daran erinnert. Mittlerweile sind Farmen entstanden und man fährt einsam entlang der Zäune durch oft undurchdringliches Buschland.
Genau gesagt ist der Gran Chaco eine riesige Tiefland Trockenwald Zone mit offenen Savannen die im Norden bis ins tropische Klima Brasiliens reichen und sich im Süden weit nach Argentinien ausdehnen.. In Paraguay erstreckt sich der Chaco über 750 Kilometer bis zur Hauptstadt Asuncion und ist berüchtigt für extrem heisse Temperaturen.
Schnappschuss mit Guarani Indianer

Auch wir blieben davon nicht verschont. Fast wahnsinnig vor Hitze und Luftfeuchtigkeit suchten wir in Mariscal Estigarribia einen Übernachtungsplatz, ein Retortenort mitten im Nichts rund um einen Militärstützpunkt. Es gestaltete sich schwierig von der Strasse wegzukommen denn Pistenabzweigungen sind rar. Nachdem uns das Militär von unserem ersten Platz in dunkelster Nacht in den Ort eskortierte, blieb uns nur die Wahl zwischen Tankstelle oder auf der Strasse vor dem kleinen Hospital. Wir bevorzugten Zweiteres, wählerisch durften wir schon lange nicht mehr sein.
so lebt es sich in Paraguay

In der Region lebten früher verschiedenste Indianerstämme. Einer davon sind die Guarani. Ihre Sprache ist nach Spanisch die zweite Amtssprache in Paraguay und auch die Währung, der Guarani wurde nach ihnen benannt. Am Ortsrand sehen wir ihre einfachen ärmlichen Behausungen. Einige Stämme leben immer noch tief zurückgezogen in unzugänglichen Waldregionen und meiden jegliche Zivilisation. Wie so oft zählen auch in Paraguay die Ureinwohner zu den Ärmsten der Armen.
Filadelfia

Als Kontrast dazu erreichten wir als nächstes die Siedlungskolonien der Mennoniten und fühlten uns wie in einer anderen Welt. Gepflegte Gärten, schmucke Häuser, jede Art von Geschäften, Firmen und neue Autos.
Um 1930 sind deutschstämmige Angehörige der mennonitischen Glaubensgemeinschaft hierher ausgewandert und haben die ursprüngliche Wildnis in eine wirtschaftliche Vorzeigeregion verwandelt. Bis heute haben sie ihre deutsche Kultur bewahrt und bilden einen Staat im Staat. Sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft deren Geschichte man am besten im örtlichen Heimatmuseum lernt.
Ihre eigentliche Sprache ist Plattdeutsch, für uns absolut unverständlich aber zum Glück sprechen viele, aber nicht alle, auch Hochdeutsch weil es Schriftsprache ist und an den eigenen Schulen gelehrt wird.
Pisten rund um Filadelfia

Wir übernachteten einige Tage auf einer Estancia nahe der Stadt Filadelfia und lernten das geruhsame Treiben einer Rinderfarm kennen. Doch das schwüle und heisse Wetter war so unerträglich, dass wir mitten ins Stadtzentrum auf den Parkplatz des Florida Hotels umzogen. Dort durften wir den Pool benutzen und fanden etwas Abkühlung. Daneben lag gleich der Supermarkt der Kooperative, alles ist gemeinschaftlich organisiert, mit deutsch typischen Leckereien wie Würsten und Leberkäs.

Unvorstellbar was die damals 1800 Siedler seither alles aufgebaut haben. Die Produkte der Farmer werden professionell vermarktet und die genossenschaftliche Molkerei versorgt ganz Paraguay mit Milchprodukten.
Kooperative Fernheim

Die Mennoniten sind eine Freikirche deren Ursprung das Norddeutschland des 16 Jhdts. ist. Sie entspringen der sogenannten Täufer Bewegung die sich in der Reformationszeit bildete und als Verfechter der Erwachsenentaufe auftritt. Im deutschsprachigen Raum wurden sie alsbald verfolgt und gezwungen ihre Heimat zu verlassen.
Auf der Suche nach Land verschlug es eine kleine Gruppe nach Umwegen über Kanada oder Russland schliesslich nach Paraguay. Der Chaco war damals wild und unerschlossen und die paraguayische Regierung froh über jede Einwanderung in diese Region. Die Mennoniten handelten sich zusätzlich besondere Privilegien wie eine autonome Verwaltung, die Zulassung deutscher Schulen und die Befreiung vom Militärdienst aus.
Loma Plata - heiss, schwül und staubig

Einige dieser Zugeständnisse haben bis heute Bestand obwohl mittlerweile auf den Strassen viele indigene Zuwanderer das Bild prägen. Der wirtschaftliche Erfolg erfordert mehr und mehr Arbeitskräfte die aus anderen Regionen des Landes zuziehen.

Chaco Trucks
Wir hatten schon länger vor beim Unimog die Bremsflüssigkeit wechseln zu lassen und fanden das sei ein guter Ort dafür. In Loma Plata, dem Nebenort fanden wir eine kompetente Werkstatt und alles wäre super gelaufen wenn nicht das Entlüftungsventil abgebrochen wäre. Eine fatale Kleinigkeit die nur durch unser umfangreiches Ersatzteilsortiment nicht als Katastrophe endete, denn dieses Teil hätten wir in ganz Paraguay nicht erhalten. Der kleine Schock bescherte uns wieder mal eine Übernachtung in der Werkstatthalle aber dann ging es zum Glück wieder weiter.

Ausnahmezustand Paraguay
Wir schwenkten wieder auf die Ruta Transchaco ein, der neue Asphalt war jedoch zu Ende und es folgte ein mühsames Kurven um Schlaglöcher und ausgebrochene Asphaltreste. Je weiter wir Richtung Asuncion kamen umso verheerender waren die Folgen des Hochwassers. Die meisten Häuser standen im Wasser und sogar die Kühe fanden keine trockene Grasfläche mehr. In Paraguay herrschte Ausnahmezustand.
Strassen Abschnitt zwischen Pozo Colorado und Concepcion

Wir hörten dass auch der Süden des Landes überflutet war und so beschlossen wir an der Kreuzung Pozo Colorado vorzeitig Richtung Brasilien abzuschwenken. Nach einer Tankstellen Übernachtung in diesem wilden Aussenposten führte unser Weg vorbei an vielen bescheidenen kleinen Farmen und winzigen unterentwickelten Siedlungen. Doch das schlimmste waren die Hüttensiedlungen der Indianer. Sie besitzen kein Land und bauen deshalb ihre Unterkünfte aus altem Holz und Planen direkt am Strassenrand zwischen Asphaltstreifen und Farmzaun. Ohne Strom, Wasser oder sonstige Infrastruktur hausen sie in elendsten Verhältnissen, ein beklemmender Anblick.
Hochwasser in Paraguay

Erst ab der Stadt Concepcion änderte sich das Bild und es wurde wieder zivilisierter. In Concepcion findet sich noch ein alter Ortskern mit spanischer Architektur, grossen Kirchen und einer Prachtstrasse.
Landschaftlich wurde es grüner und üppiger. Im Grenzgebiet zu Brasilien entstanden viele Farmen die Sojabohnen anbauen und im Besitz von Brasilianern sind. Um neue Anbauflächen zu generieren wird dafür mehr und mehr Wald abgeholzt und die Wälder zurückgedrängt. Die Nachfrage aus Europa ist einfach zu gross.
Übernachtungsplatz Pozo Colorado

Bald erreichten wir die verrufene Grenzstadt Pedro Juan Caballero. Sie gilt als besonders gefährlich und zählt zu den Hochburgen des Drogenschmuggels. Paraguay dient als Durchzugsland für Drogen aus Bolivien. Man sagte uns, dass sich normalerweise Drogenbanden nur untereinander bekriegen würden und dabei nur selten Zivilisten zu Schaden kommen. Man wolle kein Aufsehen erregen.
Concepcion

Für uns stand fest, übernachten werden wir an diesem Ort nicht. Mit einem komischen Gefühl in der Magengrube fuhren wir in die Stadt. Die Suche nach der Grenzstation brachte uns schnell auf andere Gedanken denn diese Stadt hat eine Besonderheit.
Es gibt keine Grenzstation im herkömmlichen Sinn. Die Grenzlinie verläuft mitten durch das Zentrum, auf einer Strassenseite ist Paraguay und auf der anderen steht man in Brasilien. Es existiert kein Schlagbaum und kein Grenzposten, einzig Fahnen der jeweiligen Länder markieren die Seite. Um die Formalitäten zu erledigen muss man die Gebäude der jeweiligen Immigrationspolizei anfahren und sich anschliessend die Zollbüros suchen. Alle Stellen liegen voneinander getrennt und man könnte auch einfach ohne jegliche Grenzabfertigung ins nächste Land einreisen, niemand würde es kontrollieren.
Grenze Paraguay - Brasilien in Ponta Pora

Nach so vielen Grenzübertritten dachten wir nicht dass uns noch etwas überraschen könnte. Jetzt wissen wir wieso sich Drogen Banden hier so wohlfühlen.