Nord Argentinien – Anden Teil 1




Mit jedem Meter kletterte der Höhenanzeiger unseres Navigationsgerätes noch oben. Fast unauffällig zog die Strasse bergauf. Früher hätte uns der Unimog die kleinste Steigung sofort mit abfallender Drehzahl angekündigt doch der neue Motor schnurrte und wir rollten leichtfüssig im 8. Gang immer weiter in die Berglandschaft der Anden.

wilde Vicunas
Die Charakteristik der Anden ist anders als wir es von den Alpen kennen und die Dimensionen sind es sowieso.
Die Anden sind das längste Gebirge der Erde. In Nord Süd Richtung durchziehen sie den gesamten südamerikanischen Kontinent und reichen von Feuerland bis Kolumbien. Seine höchsten Gipfel sind Sechstausender, manche davon noch aktive Vulkane.

Thalampaya Nationalpark
Wir befanden uns mittlerweile auf 2000 Höhenmeter auf der gut asphaltierten Strasse durch den Thalampaya Nationalpark. Der Campingplatz bei der Ranger Station ist neu errichtet und bietet für argentinische Verhältnisse fünf Sterne Luxus. Gefliestes Bad, heisse Duschen zu fixen Zeiten und Trinkwasser.
Das Wetter war gut, es war warm und am Plateau wehte nur ein leichtes Lüftchen. Optimal für einen Rasttag mit Wäschewaschen und zum Erledigen von Servicearbeiten.
In Ferne erspähten wir erstmalig Vicunas. Diese mit dem Kamel verwandten Tiere sind die wilden Verwandten domestizierter Lamas. Sie leben in den unbesiedelten Gebieten der Anden und werden uns ab hier noch öfters begegnen.

erster Pass - 3000 Meter
Wir trafen ein Schweizer Ehepaar mit einem Toyota Pickup mit Wohnkabine. Sie berichteten von ihren Problemen mit dem Euro 6 Diesel in grossen Höhen. Danach waren wir richtig froh dass wir unseren alten Unimog haben. Uns kümmert keine Elektronik die nicht richtig steuert oder ein Katalysator der sich verstopft, haben wir alles nicht.

Ruta 40 vor Belen
Auf der Weiterfahrt schwenkten wir in die legendäre Ruta 40. Sie ist mit über 5000 Kilometern die längste Strasse Argentiniens. Unter Overlandern ist sie beliebt weil man vom südlichen Zipfel des Landes bis zur nördlichen Grenze zu Bolivien ganz Westargentinien durchqueren kann. Früher eine Strecke mit Abenteuer Charakter, heute sind nur noch wenige Teilabschnitte als Piste befahrbar, der Rest ist asphaltiert.

Nahversorger
Im Ort Belen schafften wir gerade noch vor der nachmittäglichen Siesta den Sprung in den Supermarkt. Bei der Fleischtheke muss man hier eine Nummer ziehen und wird aufgerufen, haben wir bisher auch noch nirgends erlebt.

Indio Haus
Schwierigkeiten bereitete uns die Suche nach geeigneten Übernachtungsplätzen. Fast das gesamte Land ist eingezäunt und Campingplätze gibt es auch nicht. Wir versuchten es einmal bei einem Friedhof, dann wieder direkt auf einer Nebenpiste. Unsicher fanden wir es zwar nie aber optimal war es auch nirgends.


Als wir die kleine Siedlung Hualfin erreichten verliessen wir die Ruta 40 und schwenkten auf eine westlich davon verlaufende Route. Wir brauchten mehr Abenteuer.
Lange lies es nicht auf sich warten denn die anfangs so gemütliche kleine Asphaltstrasse endete abrupt und mündete in eine wilde Piste die sich einen Berghang hinaufzog.
Obwohl sie neu ausgebaggert und hergerichtet war konnte man erahnen wie es hier bei Regen zugehen kann. Erdrutsche, Muren Abgänge und massiver Steinschlag gehören in diesen Gebieten zur Normalität. Wir waren froh über das anhaltend schöne Wetter.


Langsam erklommen wir den Hang und später erreichten wir sogar wieder einen asphaltierten Strassenabschnitt. Oben öffnete sich eine riesige Hochebene, eine klassische Landschaftsform der Anden in Nordargentinien und südlichen Bolivien. Der Gebirgsstock ist in diesen Regionen fast 600 Kilometer breit und fächert sich in mehreren längsgeschichteten Bergzügen auseinander. Dazwischen dehnen sich riesige Hochebenen aus die als bolivianisches Altiplano oder argentinische Puna bekannt sind.

nach Antofagasta de la Sierra
Auf über 3000 Metern merkten wir erstmals die dünne Luft. Das Atmen fiel schwerer, jede kleinste Anstrengung brachte uns zum Keuchen, die erste Nacht in dieser Höhe war entsprechend unruhig. Immer wieder hatten wir das Gefühl keine Luft zu bekommen.
So ähnlich erging es auch unserer Diesel Standheizung. Am Morgen lagen die Temperaturen unter 5 Grad und wir probierten sie erstmalig aus. Trotz eingebauten Höhensensor rauchte und russte sie fürchterlich aber sie funktionierte.
Auch der Unimog startete nicht mehr ganz so willig und liess ebenfalls dicke schwarze Rauchwolken aus seinem Auspuff. Die Treibstoff Verbrennung in diesen Höhen ist nicht mehr so effizient, an ein rauchendes Auto muss man sich gewöhnen.

Piedras Pomez - Schlechtwetter im Anmarsch
Dafür entschädigte die wunderbare Landschaft. Man trifft auf kleine Lagunen an deren Rändern Vicuna Herden grasen, fährt über 4000 Meter hohe Pässe mit Aussicht auf schneebedeckte Sechstausender Gipfel und erreicht abgelegene Dörfer die als grüne Oasen in der sonst kargen trockenen Bergwüste auftauchen. Die erste nannte sich El Penon, der Ort war gleichzeitig auch das Ende der Asphaltstrasse.

Piedras Pomez
Von dort machen wir einen Abstecher zu den Piedra Pomez, eigenwillige weisse Felsformationen aus Bimsstein ähnlichen Gestein inmitten dunkler Lavaumgebung. Lokale Touren Anbieter haben sie längst als Attraktion entdeckt und während des Tages muss man diese einmalige Landschaft leider mit einfallenden Touristengruppen teilen.

Piedras Pomez
An diesem Tag passierte auch ein Wetterumsturz. Abends hüllten sich die umliegenden Bergketten mehr und mehr in Wolken, in der Ferne erhellten Blitze den Himmel, die Stimmung war gigantisch. Am nächsten Morgen war es dann nicht nur etwas kälter sondern die Schneefallgrenze reichte weit unter 5000 Meter.

500 km bis zur nächsten Grossstadt
Das Wetter blieb schlecht. Wir entschieden uns für einen halben Rasttag in der kleinen Bergoase, Antofagasta de la Sierra. Wenige Kilometer entfernt liegt eine schöne Lagune mit Blick auf einen Vulkankegel. Ein paar Flamingos und neugierige Lamas leisteten uns Gesellschaft.

Lagune bei Antofagasta de la Sierra
Zur Weiterfahrt wählten wir die vermeintlich grösste Piste Richtung Norden. Erst später merkten wir dass sie die Zufahrt zu einer der Lithium Minen der Region war. Sobald unsere Piste abzweigte waren wir alleine. In vollständiger Einsamkeit führte uns die Strecke auf Höhen von 4500 Metern.

Salar Hombre de Muerte
Beim Salzsee Hombre de Muerte auf 4000 Metern verbrachten wir unsere bisher höchste Nacht. Wir waren zwischenzeitlich gut akklimatisiert doch die kleinste Anstrengung brachte sofortige Atemnot. Das Wetter hatte sich wieder gebessert und während es in der Nacht aufklarte fielen die Temperaturen unter 0 Grad. Erstmalig bildete sich an der Fensterinnenseite Eis.

Hauptplatz von El Penon
Wir benötigten drei Versuche um die Standheizung anzuwerfen. Die schwarzen Rauchwolken aus dem Auspuff zeigten dass sie für diese Höhe einfach nicht konstruiert war.

Salar Hombre de Muerte - historische Salzmine
Den Unimog hatten wir vorsorglich mit der Motorhaube Richtung Osten geparkt, sollte er nicht anspringen könnten die Sonnenstrahlen helfen den Motor schneller aufzuwärmen. Schon Tage zuvor mischten wir in den Tank einen Fliessverbesserer den wir von zuhause mitgebracht hatten damit der Diesel nicht einfriert. Dann kam der grosse Moment.
Wir starteten. Zäh und widerwillig begann der Motor zu laufen. Wir waren happy, schon der erste Versuch hatte geklappt.


Auf zuerst miserabler Piste, dann guter und später wieder furchtbarer Piste tuckerten wir mit dem qualmenden Unimog über Hochebenen und kleine Pässe. Einen Leistungsverlust bemerkten wir nie, der Unimog hat sich in diesen Höhen wacker geschlagen. Obwohl das Gebiet hunderte Kilometer von der Zivilisation entfernt liegt trafen wir kurz nach dem Salzsee auf eine grosse vielbefahrene Minenpiste. Schon in der Ferne sah man die Staubfahnen der Lastwägen die Material transportieren.


Wenn uns einer davon gerade wieder einstaubte waren wir weniger begeistert aber dafür fühlten wir uns nicht mehr so einsam. Es zehrt an den Nerven wenn man sich auf abgelegenen Strecken bewegt. Eine Panne lässt sich nie aus schliessen.

Blick auf El Penon
Noch einmal übernachten wir auf fast 4000 Metern und stellten uns dazu einfach am Rand einer unbenutzten Piste. Seit Tagen war es fast windstill und so packten wir sogar unsere Campingsessel aus und genossen mit einem heissen Tee in der Hand die zarten Sonnenstrahlen.


Unsere erste Tour durch die Bergwelt der Anden endete in San Antonio de los Cobres, einer Minenstadt auf 3700 Metern Höhe. Sie liegt immer noch im Nichts aber ab hier hatten wir wieder Asphalt unter den Rädern.