Argentinien – Von der Pampa in die Anden





Was ist das denn für ein Land? Erst 20 Kilometer vom Grenzposten entfernt und schon fanden wir Argentinien irgendwie unsympathisch.

Beim Grenzübertritt war die Welt für uns noch in Ordnung, die Abwicklung war schnell und professionell, alles super, doch dann erreichten wir die erste Stadt, Gualeguaychu.
Wie schon zig mal in anderen Ländern zuvor wollten wir unser typisches Standardprogramm absolvieren, Bargeld besorgen und eine Sim Karte für das Telefon kaufen.

durch die argentinische Pampa
Also nichts wie rein in diesen unaussprechlichen Ort. Unser Navi zeigte ein Labyrinth von Strassen, wir entschieden uns für die rote, sollte wohl eine Hauptstrasse sein. Sie führte ins Zentrum, war aber umsäumt von Alleebäumen die tief in die Fahrbahn ragten und scheinbar nur durch hohe LKWs wie unseren gestutzt werden. Es war eng, die Äste kratzten über unser Dach, eine Bank war nirgends auszumachen und ein Telefonanbieter auch nicht.

sogenannte Hauptstrasse in Argentinien
Wir parkten uns ein und durchforsteten die Nebenstrassen. Die vielen Handyshops konnten uns nicht weiterhelfen, erst zwei Strassen weiter fanden wir endlich was wir suchten. Im hypermodernen Shop des Netzbetreibers Claro bekamen wir endlich ein Internet Package. Verdutzt sahen wir erst drein als es ans Bezahlen ging, denn Kreditkarten wurden nicht akzeptiert. Mit unseren letzten Pesos die wir beim Kurzbesuch in Buenos Aires abheben konnten beglichen wir die Rechnung. Ab jetzt waren wir bargeldlos.

grosser Supermarkt
Nach einigen Herumkurven verliessen wir das enge Stadtgewirr. Eine Bank hatten wir nirgends gesehen, so versuchten wir unser Glück im nächsten Ort. Der war genauso verwinkelt, wieder war keine eindeutige Hauptstrasse auszumachen und der Unimog schrammte an den Alleebäumen entlang.
Rasieren kann lebensgefährlich sein
Diesmal hatten wir im Navi bereits vorgesucht und wussten wo die Banken zu finden waren. Das Einbahnsystem, typisch Argentinisch liess uns dann doch lieber zu Fuss ausschwärmen. Es war früher Nachmittag, Siesta Zeit, alle Geschäfte halten Mittagsrast, die erste Bank war zu und ein Bankomat unauffindbar, erst bei der zweiten Bank wurden wir fündig. Ein versteckter Nebeneingang mit dem Zeichen „Link“, das Zeichen für Bankomat in Argentinien.

Auto Zubehör Markt
Aber schon wartete der nächste Frust. Pro Transaktion spuckte er nur umgerechnet maximal 80 Euro aus und verrechnete auch noch saftige Spesen. Und das in einem Land dass bereits zweimal Pleite war und auch derzeit kurz vor einem neuerlichen Bankrott steht. Der argentinische Peso verliert ständig an Wert und die Inflation steht bei 47 %. Brauchen die denn keine Devisen?

am Friedhof 
Ein Drittel der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze, vielleicht finden sich deswegen auch keine grossen Shoppingcenter sondern nur kleine Supermärkte und Geschäfte. Das Internet funktioniert übrigens auch nirgends. Unsere gekaufte Sim Karte war zu vergessen.

alte Mercedes Hauber LKWs fahren überall im Land

Trotz dieser prekären Wirtschaftslage überraschte uns wie extrem entspannt und freundlich die Argentinier sind.
Es beginnt beim Autofahren, keiner drängelt oder hupt, man hat sozusagen die Ruhe weg und nimmt sich Zeit. Am Wochenende geniesst man seinen Asado, den argentinischen Grill. Besonders beliebt sind die Picknickplätze der Gemeinden die gleichzeitig auch als Campinggelände dienen.
beim Wochenend Picknick
Für wenige Euro gibt es Grillplatz, Tisch und oft sogar Strom. Gewöhnungsbedürftig ist nur dass viele Plätze kein heisses Wasser zum Duschen anbieten. Wenn doch dann nur am späteren Abend, zu einer Zeit wo wir eher ans Schlafen als ans Duschen denken.

Pampa
Als wir auf der Autobahn nach Cordoba rumpelten, anders lässt sich das Fahren auf argentinischen Strassen kaum beschreiben durchquerten wir über hunderte Kilometer die Pampa. Kleine und grosse Farmen, die Estancias, reihen sich aneinander. Die Gegend ist nur spärlich besiedelt. Rinderherden weiden auf den grünen Grassteppen, ab und an auch Pferde. Das argentinische Angus Rind besticht durch hochwertige Fleischqualität und rangiert qualitätsmässig weltweit im Spitzenfeld. Mit etwas Glück begegnet man auch einem Gaucho, dem Cowboy Südamerikas.
Gauchos
Kurz vor Cordoba, der zweitgrössten Stadt Argentiniens, erwischte uns eine heftige Regenfront. Der Mangel an einer ordentlichen Kanalisation machte sich sofort durch kleine Überschwemmungen am Strassenrand bemerkbar. Überall bildeten sich riesige Pfützen und die Schlaglöcher wurden zu Untiefen. Genau zu diesem Zeitpunkt gab der Scheibenwischer des Unimogs seinen Geist auf. Das Wischerblatt löste sich und wir waren plötzlich mitten auf der Stadtautobahn im Blindflug unterwegs.
Bei strömenden Regen versuchten wir vergeblich eine Reparatur am Strassenrand und mussten schlussendlich die nächste Abfahrt runter um die nächstbeste Parkgelegenheit für die Nacht zu suchen. In einer Grossstadt nicht wirklich optimal.

Camping in der Militär Siedlung
Doch wir hatten Glück im Unglück und landeten zufällig im Wohnviertel eines riesigen Luftwaffenstützpunktes der Armee. Überall Soldaten in Uniform und gleich daneben eine Kaserne. Wir waren sicher.

Am nächsten Morgen flickten wir alles mit Schlauchbindern zusammen, improvisieren war angesagt. Ein 30 Jahre altes Auto mit neuzeitlichen Wischerblättern ist einfach nicht mehr kompatibel.

viele alte Autos auf den Strassen
Wieder voll fahrtüchtig erreichten wir wenig später den Ausflugsort Villa Carlos Paz. Wir waren in einer der beliebtesten Urlaubsregionen Argentiniens und merkten erstmalig wie viel Inlandstourismus hier unterwegs ist. Überall Reisegruppen, Bustouristen oder Ausflügler, an jeder Ecke eine Hosteria oder Parilla, so nennt man hier Hotels und Grillrestaurants, wir waren froh dass die Nebensaison begonnen hatte.
argentinische Motorrad Touristen
Um unseren ständigen Bargeldmangel zu lindern begaben wir uns wieder auf Banken Tour. Diesmal versuchten wir US Dollar zu wechseln. Nach der dritten Bank gaben wir auf und begnügten uns mit dem Bankomaten. Die Auskunft lautete, das Geldwechseln nur für Bankkunden möglich sei.

mittlerer Supermarkt
Das konnte uns  nicht mehr erschüttern, wir hatten uns an diese argentinischen Besonderheiten gewöhnt. Wir lernten dass es bei der staatlichen YPF Tankstelle freies gut funktionierendes Internet gibt und sogar die Kreditkarte akzeptiert wird, es auf vielen Campingplätzen zwar kein heisses aber dafür Trinkwasser gibt und die chaotischen Orts Durchfahrten Gelassenheit erfordern.

frische Empanadas vom Strassenstand

Wir haben Argentinien lieb gewonnen und fühlen uns mittlerweile richtig wohl. Wir schätzen die Entspanntheit der Menschen, die offene freundliche Art und die lockere Atmosphäre. Trotz aller Widrigkeiten macht es Spass in diesem Land zu reisen, wir bleiben noch eine Weile.