50000 Kilometer on the road - Höhen und Tiefen



Vor kurzem fragte uns ein südafrikanischer Urlauber „Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit wenn ihr solange unterwegs seid - Wird euch nie langweilig zwischendurch?



„Nein“ antworten wir wie aus der Pistole geschossen, Alfred und ich tauschen kurze Blicke aus und denken uns beide „Wenn der wüsste wie anstrengend eine Langzeit Reise sein kann.“



Unser Reisestil kann himmlisch sein, grossartig, beneidenswert und einfach nur schön oder frustrierend, erschöpfend, Substanz raubend. Es gibt diese wunderbaren Momente wo wir neugierig und enthusiastisch die Welt entdecken wollen und Phasen in denen uns alles zu viel wird und wir einfach nicht wissen wie wir weiter machen sollen.

schnell mal wieder umgeplant

Im Moment fühlen wir uns gerade neutral. Unsere unplanmässige Rückkehr nach Pretoria in die Werkstatt von Ferdi, dem Mog Doc empfinden wir zwischenzeitlich als normales Vorkommnis. So ist das eben wenn man mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, abgelegene unbekannte Strecken durchqueren will, durch Entwicklungsländer reist oder mit bürokratischen Hürden konfrontiert wird. Immer ist höchste Flexibilität gefragt, die muss man lernen, alles ist ständig im Fluss, nichts ist fix.

Überwachung und Kontrolle

So versuchen wir auch jetzt das Beste aus der Situation zu machen. Wir nutzen die Gelegenheit für ein paar kleine Reparaturen, besorgen uns zwei neue Vorderreifen und werden die alten als Reserve mitnehmen. Mit bisher nur einem Reserverad zu reisen war Glückssache und so wird an einer zusätzlichen Halterung gebastelt.

Urlaub zwischendurch

Dennoch ist unsere Stimmung nicht am Höhepunkt. Es ist mühsam permanent neue Routen auszuarbeiten, zu überlegen wohin wir weiterfahren und immer diesen Alltag zu bewältigen.

Einkaufen, Kochen, Waschen, Putzen, Reparieren, Servicearbeiten erledigen, das ist unsere tägliche ToDo Liste. Wie zuhause müssen auch auf einer Langzeit Reise banalste Tätigkeiten absolviert werden, egal ob man mitten im Niemandsland campt oder auf einer Luxus Campsite gerade Urlaub machen will.

je schmutziger die Arbeitskleidung umso fleissiger der Mechaniker

Normalerweise fährt man auf Urlaub um diesen täglichen Alltag kurzzeitig hinter sich zu lassen und abschalten zu können – wir haben den immer dabei.

In Tansania hatten wir Mühe ordentliche Lebensmittel zu finden, im Mozambik gab es nur braunes salziges Wasser zum Wäschewaschen oder Alfred muss seine Servicearbeiten am Unimog im Dreck oder Sand erledigen. Wir erleben den Alltag auf Reisen viel mühsamer als zuhause.

Dazu kommen lange ermüdende Fahrtage, schlechten Strassen oder die oftmals aufreibende Suche nach geeigneten Übernachtungsplätzen.

Küchen Action

Gar nicht zu reden von den zahlreichen kleinen und grossen Pannen am Fahrzeug.

Zum zehntem Mal ist ein Fenster undicht oder eine Halterung gerissen oder wir müssen am Unimog selbst reparieren weil es niemanden gibt der helfe kann. Wenn wir das dann noch unterwegs am Strassenrand erledigen müssen wird es zum Albtraum.

Waschtag ist Schwerstarbeit

Wir erinnern uns als im Oman das Solarpanel ausfiel und wir jeden Abend versuchten es zu reparieren, uns in Uganda ein heftiger Gewitterregen zwang gleich neben der Strasse das Dachfenster abzukleben oder sich in Malawi ein Ast durch die Aussenwand in das Bad gebohrt hatte und wir nicht wussten wie wir das Loch flicken sollten.

Sikaflex - Mädchen für alles

Nach solchen Ereignissen sehnt man sich auch als Langzeit Reisender nach Urlaub vom Reisen, verrückt oder.

Obwohl der echte Urlaubsanteil in unserem Reiseleben deutlich kürzer ist als die restliche Zeit beschweren wir uns nicht. Wer kann es sich heutzutage schon  leisten ohne Uhr zu leben, nach Sonne und Wetter den Tag einzuteilen, sich keinen beruflich vorgegebenen Zwängen unterordnen zu müssen, völlig unabhängig sein Leben gestalten zu können.

Doch geschenkt wird einem dennoch nichts. Das Reisen ist manchmal harte Arbeit, es ist eine Abfolge von ständig ungeplanten Ereignissen, permanent neuen Eindrücken, immer wechselnden Orten und Situationen.

Alltagsleben
Oft wächst man über sich hinaus, diese lässigen Abenteuer über die man gerne berichtet sind für den Moment einfach Belastungen die auf Dauer an der eigenen Substanz zehren.            

Die Welt besteht leider nicht nur aus traumhaften Plätzen und netten Menschen, auch Armut, Elend, verwahrloste Kinder auf Müllhalden, Kriminalität, Verschmutzung, das Reiseauge muss alles verarbeiten.

Man muss aufhören sich über Preisaufschläge auf Märkten, erhöhte Eintrittspreise oder das „Give me money, Give me sweets“ zu ärgern, das Klischee des „reichen Weissen“ ist tief verankert, Idealismus und den Anspruch die Welt verändern zu wollen gilt es abzulegen.

Happy Hour

Es gab Moment auf unserer Reise wo wir uns nur noch energielos fühlten, kurzzeitig sogar unseren Entdeckergeist verloren haben, wir nicht mehr winken und lachen konnten und diese Welt einfach hinter uns lassen wollten.

Wenn dann noch Lagerkoller einsetzt, die permanente Nähe zum Partner Gereiztheit auslöst und man mit sich selbst nicht mehr zurecht kommt, ja dann ist der Tiefpunkt erreicht.

Man darf aber nicht aufgeben, die Höhen kommen zurück, wir besinnen uns dann wieder auf das was Spass macht und uns Freude bereitet. Gute Nerven und Humor sind das richtige Rezept. Wir haben es nicht immer aber immer öfters.

neue Reifenhalterung - wie ein Mad Max Unimog

So geht es jetzt wieder los, mit einer neuen Reifenhalterung am Rammschutz, abgedichteten Einspritzdüsen und reparierten Teilstück im Diesel Ansaugsystem, seit Wochen mussten wir nämlich vor jedem Startvorgang entlüften weil eine Verbindung leckte.

Wir brechen auf Richtung Botswana, bestimmt erleben wir dort wieder die Höhen des Reiselebens, ja wir sind uns sicher.