Ost Angola 1 – Jenseits jeder Vorstellung


Diese Tour schafft uns. Ost Angola ist harte Kost und wird zur Grenzerfahrung. Unsere Leidensfähigkeit steht auf dem Prüfstand.

Angola ist ein Land mit jahrzehntelanger Kriegshistorie. Zuerst kämpfte man für Unabhängigkeit gegen die Jahrhunderte währende Kolonialmacht Portugal und später folgten dreissig Jahre Bürgerkrieg. Seit 2002 herrscht Frieden aber die Spuren der Zerstörung sind allgegenwärtig.

Ost Angola
 In Ost Angola befand sich zudem das Rückzugsgebiet des Oppositionsführers und demnach zählt es zu einem besonders unterentwickelten Landesteil. Jegliche Infrastruktur ist zerstört oder war noch nie vorhanden. Langsam wird am Aufbau gearbeitet und so treffen wir entweder auf völlig kaputte und verwilderte Zustände oder Nagelneues.

Nande
In Nande, der ersten kleinen Stadt die wir nach dem Grenzübertritt erreichen sind wir erstmalig mit dieser Situation konfrontiert.

Der Ort befindet sich im Südwesten Angolas, einem Zipfel der am weitesten von der Hauptstadt entfernt liegt. Es existiert nur eine Anbindung zum Rest des Landes, die Route nach Norden. Obwohl auf angolanischen Landkarten ein durchgängiges Strassen und Pistennetz verzeichnet ist sieht die Realität anders aus. Die meisten Strecken sind unpassierbar und verfallen.

Dorf Szene Angola
Paradoxer Weise empfängt uns gerade an diesem abgelegenen Ort eine neue Asphaltstrasse. Bis zum letzten Meter kämpfen wir uns durch tiefen Sand und stehen jetzt vor dieser makellose Strasse. Einige hundert Meter zuvor legten wir noch einen Stopp zwischen elenden Hütten ein und machten Bekanntschaft mit der einfachen Lebensform der Bewohner und jetzt warten drei uniformierte Polizisten am Asphaltrand und tadeln uns weil wir nicht angegurtet daher kommen. Wie verrückt ist das denn.

That's Angola
Unsere fehlenden Portugiesisch Kenntnisse machen uns zu schaffen und werden uns auch weiterhin die Lage nicht erleichtern.

Die Anstrengung der letzten Tage sitzt uns tief in den Knochen. Umso mehr geniessen wir die nächsten siebzig Kilometern Asphaltstrasse durch herrliche Urwaldlandschaft.

Minensucher - mutige Männer und Frauen
Pausenplätze wählen wir mit Bedacht denn Angola ist Minengebiet. Landminen zählten zu Kriegszeiten als billige Waffe gegen den Feind und wurden von allen Kriegsparteien überall im Land verstreut. Auch wenn eine Landschaft noch so friedlich wirkt überall könnten Panzer oder Personenminen vergraben liegen. Das damit nicht zu spassen ist merken wir als wir Augenzeuge einer Entminungsaktion am Strassenrand werden.


Kurz vor Lumbala einer der wenigen kleinen Orte entlang der Strecke beginnt schlagartig eine miserable Piste. Die Definition, schlechte Piste erhält übrigens in Angola eine neue Bedeutung.
Wir haben zunächst noch andere Probleme. An der Grenze erhielten wir kein Papier für den Import des Unimogs und so müssen wir noch einmal zum Zoll und der Immigration.


Diese Formalität wird eine Prozedur die uns den ganzen Nachmittag beschäftigt. Unser Hoffnung endlich in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen verflüchtigt sich. Angola wird nachgesagt die Bürokratie der Kolonialmacht Portugal nie abgelegt zu haben und das können wir bestätigen. Wir müssen mehrmals zwischen Geschäften und Behörden Baracken hin und her fahren bis wir endlich alle benötigten Kopien haben und die Gebühr für das Zolldokument des Unimogs bezahlen können.
Zwischendurch wollen wir die Zeit nutzen und unseren Wasserkanister auffüllen. Im Behördenhof entdecken wir einen Wasserhahn doch der ist ausser Betrieb. Es wird nicht unsere letzte Begegnung mit kaputten Wasserpumpen und nicht vorhandenen Leitungswasser sein. Wir müssen  uns daran gewöhnen aus Brunnen oder dem Fluss zu schöpfen.


Wasserschöpfen am Fluss

Auch der Geldwechsel passiert in Angola unkonventionell. Um den angolanischen Kwanza zu tauschen fährt man nicht zur Bank sondern in den nächsten Shop. Die Händler brauchen dringend USD um Waren ins Land zu holen und überbieten dafür den offiziellen Wechselkurs ums doppelte. Die einzige Devisenquelle Angolas ist Rohöl und einige Rohstoffe wie Diamanten. Es zählt mit Nigeria zu den grössten Erdölförderländern Afrikas und könnte somit auch eines der reichsten sein. Leider fliesst wie so oft in Entwicklungsländern nur ein Bruchteil in den Aufbau der Volkswirtschaft. Reich wird reicher, arm bleibt arm. Muss man mehr sagen als das die staatliche Ölgesellschaft Sonangan im Besitz der Präsidentenfamilie ist.

Shops in Angola
Für uns beginnt ab jetzt der Kampf mit den katastrophalen Strassenverhältnissen. Vor uns liegt das Schlimmste das wir jemals gesehen haben. Als völlig unfahrbar stufen wir die Strecken mit scharfkantigen Asphaltresten und tiefen Weichsandfeldern ein. Es wird eine Tortur. Zwischendurch treffen wir zwar immer wieder auf neue Asphaltabschnitte aber die enden so plötzlich wie sie begonnen haben. Trotzdem lernen wir jeden Meter zu schätzen. Über die vielen Flüsse führen generell nur einspurige krachende Eisenbrücken. Seit wir den eingebrochenen Tankwagen passiert haben ist der Nervenkitzel noch grösser.

Familie in Ost Angola
Wir schaffen am Tag mit Mühe 140 Kilometer. Das bedeutet wir sind auch permanent auf der Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten. Einmal mussten wir uns im Ort neben ein Haus einparken aber sonst bevorzugen wir den Busch. Die Minengefahr immer im Hinterkopf.
Als Glücksfall erweisen sich Missionsstationen. In Luena, der Provinzhauptstadt der südwestlichen Provinz Moxico dürfen wir neben der Kirche übernachten. Die Stadt wurde im Krieg arg in Mitleidenschaft gezogen und vieles wurde neu aufgebaut.
Ein besonderer Kontrast zu den sonst wilden Verhältnissen in Angola ist der Shop des Mobilfunkbetreibers. Modern und klimatisiert. Kurz vergessen wir hier wo wir uns eigentlich befinden.


Hier finden wir auch die erste richtige Tankstelle. Auf der gesamten bisherigen Strecke sahen wir nur eigenartige kleine Container Zapfsäulen und die wirkten meist verlassen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren wir das in Angola die Treibstoffversorgung zu den Problemfeldern zählt. In Luena tanken wir noch sorglos und haben Glück.

Nach einer ruhigen Nacht in der katholischen Mission quälen wir uns weiter.


Wieder einmal fahren wir im Schritttempo auf einer Strecke die den Namen Piste nicht mehr verdient als plötzlich die Servolenkung des Unimogs ausfällt. Verflixt, muss das denn gerade hier passieren?
Mitten auf der Piste beginnen wir den zehn Kilo schweren Motorschutz abzubauen und inspizieren die Servopumpe. Die Riemenscheibe ist total aus dem Winkel und wir können als kurzfristige Lösung nur die Pumpe ausser Kraft setzen indem wir den Keilriemen durchtrennen.

Reparatur am Pistenrand
Unsere Stimmung ist am Tiefpunkt. Der Unimog ist ohne Servo Unterstützung kaum lenkbar und die einzige Rettung ist die halbwegs gerade Strecke. Trotzdem ist es Schwerstarbeit den Unimog auf Spur zu halten. Diese Nacht campieren wir direkt neben der Piste.
Unsere einzige Hoffnung ist die achtzig Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Saurimo.