Es ist aus. Der Unimog ist in ein Sumpfloch gekracht. Das linke Hinterrad steckt bis zur Achse im hohen Sumpfgras. Die Wucht des Aufpralls hat die Aussenkiste aufgesprengt, der Dieseltank den herausgefallenen Ölkanister aufgespiesst.
Der Adrenalin Ausstoss lässt uns zittern. Wir brüllen uns an wessen Idee es gewesen ist den Spuren soweit in den Schlamm zu folgen.
Ein fataler Fehler der uns im Niemandsland zwischen sambischen Grenzposten und Angola passiert.
Schon längst war uns bewusst dass die tracks4africa Route unseres GPS nicht die Beste ist und völlig abseits irgendwelchen Spurenbändern folgt. Es erschien uns aber immer noch besser als ohne jegliche Anhaltspunkte einen Weg Richtung angolanischen Grenzposten zu suchen.
vor Sikongo |
Haben wir uns diesmal zu viel zugemutet als wir beschlossen die in keiner Karte eingezeichnete Grenze als Übergang zu wählen?
Von Mongu, einer kleinen Provinzhauptstadt in Sambia sind wir gestartet. Bis auf den letzten Zentimeter beladen mit Diesel, Wasser und Lebensmittelvorräten machten wir uns auf den Weg nach Kalabo. Der Unimog hatte Höchstgewicht. Eigentlich keine gute Voraussetzung für schwieriges Gelände aber eine Information besagte dass die nächste Tankmöglichkeit 700 Kilometer entfernt ist und uns Tiefsand erwartet. Mit unserem Normalverbrauch von 25 Litern kein Problem aber im Sand frisst der Unimog schnell das Doppelte.
Sikongo |
Bis Kalabo führte noch eine nagelneue Asphaltstrasse. Wir konnten dort sogar nochmals 20 Liter Diesel nachtanken weil wir zufällig den südafrikanischen Manager des ansässigen African Parks Hauptquartiers für den Liuwa Plain NP trafen, der uns einen Kanister verkaufte.
Bestens gerüstet schwenkten wir ab hier in unbekanntes Terrain Richung Sikongo, dem letzten Ort mit sambischer Bürokratie. Gerade erst wurde mit dem Bau einer Strasse begonnen und so fuhren wir die ersten Kilometer durch Baustellenstaub. Bis auf einige Fahrzeuge der südafrikanischen Baufirma war niemand unterwegs. Zehn Kilometer später landeten wir auf einer sandigen Piste. Ab hier wurde es wild. Kleine Dörfer mit einfachsten Lehmhütten säumten den Weg. Die Menschen freundlich und zurückhaltend. Ihre Gesichter erhellten sich sobald sie auch uns als freundlich einstuften. Kinder hielten gebührenden Abstand und beobachteten lieber aus der geschützten Umgebung des Dorfes.
Mittlerweile wurde die Piste immer tiefsandiger und unser langsames Vorankommen erforderte eine Buschübernachtung.
Sikongo erleben wir als unwirtlichen Aussenposten. Retortenhaft wurden hier gegenüberliegend zwei Behörden Komplexe gebaut. Als wir uns einparken schlendert jemand im Trainingsanzug auf uns zu und gibt sich als Immigration Officer aus. Er schickt uns zuerst durch 300 Meter üblen Tiefsand zurück ins andere Gebäude wo sich der Zoll befinden soll. Nach einer Stunde Prozedere und immer denselben Eintragungen unserer Daten in verschiedenen Bücher war die Ausreise erledigt. Zum Abschluss erkundigen wir uns nach dem weiteren Streckenverlauf. Die Auskünfte waren unergiebig. Wir müssen den Letaui Fluss queren und dazu soll es einige hundert Meter weiter eine passende Stelle mit vierzig Zentimeter Wasserstand geben.
Flussquerung |
In der Mittagshitze machten wir uns also auf die Suche. Nach einer Weile flussauf flussab hatten wir zwei Möglichkeiten ausgemacht. Jeweils ein paar Geländewagenspuren waren zu erkennen und führten durch eine schmale Schlammstrecke auf die andere Seite. Das Gelände ist mehr Sumpf als Fluss.
Tapfer durchwatete Alfred beide Stellen und gab Anweisungen. Ich legte alle Sperren ein und im 3. Gang pflügte sich der Unimog durch den Schlamm.
Froh diese Hürde hinter uns zu haben begann die nächste Herausforderung. Vor uns lag eine brettebene Flutebene mit sandigen Untergrund und hohem Gras.
Spurenbänder führten in alle Richtungen und es liess sich keine richtige Piste erkennen. Auf dieser Flussseite fahren kaum Autos. Kein Wunder wenn man bedenkt dass dieser Landesteil während der Regenzeit von sambischer Seite unerreichbar bleibt.
Spurenbänder |
Uns gefiel es jedenfalls. Wir liessen unsere Blicke über die weite Grasebene schweifen und genossen es querfeldartig den Weg zu suchen. In der Ferne fielen uns kleine Bauminseln auf und bald erkannten wir das sie bewohnt sind.
Als das Spurenband erstmals mitten durch eine Siedlung führte knüpften wir Kontakt zu den Bewohnern. Mit gebührenden Abstand stoppten wir und näherten uns zu Fuss. Es schien als seien sie Selbstversorger. Im kargen Sandboden bestellen sie kleine Felder mit Cassavawurzeln, dem Hauptnahrungsmittel ganz Zentralafrikas und in den Bauminseln gedeihen Mango und Guave Bäume.
Der Dorfälteste begrüsste uns herzlich. In einer uns unbekannten Sprache deutete er den Weg für den Unimog. Die komplette kleine Gemeinschaft versammelte sich und beäugte uns freundlich. Sie zeigten auf kleine Tomatenstauden die wir keinesfalls überfahren durften. Es war unglaublich zu sehen wie diese Menschen leben. Sie siedeln seit wahrscheinlich hunderten von Jahren hier und viel hat sich in dieser Zeit nicht geändert nur dass sie heutzutage Kleidung tragen.
Bauminsel Dorf |
Immer auf der Suche nach Spuren ging es für uns weiter. Einmal querten wir sogar eine breitere pistenähnliche aber sehr sandige Spur. Leider zeigte die tracks4Africa Navigation eine andere Richtung. Im Nachhinein wissen wir jetzt dass das die Hauptroute gewesen wäre. Es gibt einfach keine grosse eindeutige Piste aber wer die Strecke mit den meisten Spuren wählt ist goldrichtig.
Unser GPS leitete uns mit einem riesen Umweg durch dieses Gebiet und schliesslich landeten wir dadurch auch noch ungewollt im Sumpf.
Da stecken wir nun, mitten im Nichts. Wir haben noch einen Versuch. Mit allen Sperren und beherzten Gas im 2. Gang wühlt sich der Unimog tatsächlich aus diesem Loch und arbeitet sich Stück für Stück aus dem Sumpfgebiet zurück auf festen Untergrund.
Malundu Border in Sichtweite |
Die enorme Bodenfreiheit der Portalachsen hat es ermöglicht uns aus eigener Kraft aus dieser misslichen Lage zu befreien. Den Rest der insgesamt 60 Kilometer weiten Strecke fahren wir mit höchster Vorsicht. Nach einer weiteren Übernachtung nähern wir uns endlich der angolanischen Grenze.
Die Spuren verdichten sich und das Gelände wird waldiger. Der Tiefsand wird noch tiefer und unser Aufbau schrammt an den Ästen.
Mitten im Busch taucht ein offener Schlagbaum auf wir sehen bewaffnetes Militär.
Grenzposten Angola - Malundu Border |
Wir stammeln ein „Guten Tag“ auf portugiesisch und sind froh dass jemand Englisch spricht. Nach nicht einmal einer halben Stunde inklusive Smalltalk dürfen wir weiter. An der Grenze herrscht geschäftiges Treiben. Toyota Geländewagen dienen hier als Sammeltaxis.
nach Grenze |
Ab hier liegen immer noch 70 Kilometer Piste vor uns. Die Angolaner bauen gerade eine neue breitere Piste und dazu haben sie mit Baggern eine Autobahn ähnliche Trasse durch den Urwald gezogen. Die Grenze zu Angola verändert nämlich auch die Landschaft. Das offene Savannengebiet weicht zurück und geht in undurchdringlichen Urwald über.
Die Piste entpuppt sich als Horror. Zerfurchter weicher Sand mit niedergewalkten Ästen und grossen Holzsplittern.
Es bleibt uns nicht erspart die Strecke mit niedrigsten Reifendruck in Angriff zu nehmen. Entweder wir riskieren im Sand stecken zu bleiben oder schlitzen uns die Reifen an den herumliegenden Hölzern auf. Endgültig zweifeln wir an der Entscheidung diese Route gewählt zu haben. Wir sind alleine, sprechen kein Portugiesisch und haben nur einen Ersatzreifen dabei.
Urwaldpiste in Angola |
Den Point of no return haben wir längst überschritten und so müssen wir das beste hoffen. Es kostet uns eineinhalb Tage diese Strecke zu bewältigen. Mental ausgelaugt und körperlich ausgepowert aber ohne Defekt liegt die erste angolanische Kleinstadt vor uns - Nande.