Keine Angst vor Norduganda - oder doch?


Was sollte man wissen wenn man diesen Landstrich bereist?

-Da gab es die Lord Resistance Army, eine Rebellengruppe die lange Zeit Nordwest Uganda im Kriegszustand versetzte, 2005 jedoch endgültig in den Kongo vertrieben wurde.
-Die wilde Karamoja Region im Nordosten wo sich jahrzehntelang die Karamojong Halbnomaden erbitterte Kämpfe mit kenianischen Nomadenstämmen lieferten und es grosse Anstrengungen der ugandischen Armee bedurfte den Stamm zu entwaffnen. 
-Und wäre es nicht schon genug die wieder  aufgeflammten Kämpfe im Südsudan, der unmittelbare Nachbar der den gebeutelten Norden Ugandas nun auch mit einem massiven Flüchtlingsstrom überschwemmt.

Wieso wir trotzdem dorthin fahren?

Weil es dort den artenreichsten aber von nur wenigen Besuchern frequentierten Kidepo Nationalpark gibt und wir gerne abgelegene und spärlich besiedelte Regionen bereisen.


Hat es sich gelohnt?
Oja, aber es kostete auch Substanz. Schon der Weg zum Kidepo NP im äussersten Zipfel Ugandas direkt an der Grenze zum Südsudan erfordert 400 Kilometer Pisten fahren. Unser Unimog ist ja bekanntlich kein Rennauto und so teilten wir die Strecke in kleine Etappen um die Notwendigkeit von Wildcamping gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wir wollten die Sicherheitslage nicht unnötig auf die Probe stellen.

Landschaft in Norduganda
Gulu war die letzte groessere Stadt auf der Route. Bekannt als Stützpunkt der internationalen Flüchtlingshilfe reihen sich Niederlassungen vieler namhafter Organisationen aneinander. Private Sicherheitsfirmen sind hier gross im Geschäft denn vor jedem Tor steht ein schwer bewaffneter Wächter. Wir suchten uns einen Hotelparkplatz als Übernachtungsplatz und am Weg dorthin überholten wir ein ungewöhnliches Hindernis. Ein Trupp Gefangener in Handschellen flankiert von einer staatlichen Anzahl Polizisten marschierte auf unserer Fahrspur. Wir hatten später noch öfter solche Begegnungen, sahen viele Wegweiser zu Gefängnissen und gelb gekleidete Sträflinge auf Feldern arbeiten. Ist Norduganda vielleicht das Alcatraz des Landes?

Karamoja Manyatta

Der nächste Halt ist Kitgum. Je weiter nördlich umso einfacher und wilder werden die Ortsbilder. Trotzdem ist es gegenüber den ärmlichen Hütten der Landbevölkerung eine Kleinstadt mit vielen Geschäften und typisch afrikanischen Treiben. Total überrascht waren wir von der Entspanntheit der Menschen. Alle waren zurückhaltend uns gegenüber, kein einziges „Give me money“. Wir erlebten den entspannensten Stadtbummel in ganz Uganda. Nur kurz forderten Marktfrauen Geld für ein Foto. Nach ein bisschen Smalltalk und Alfreds Charmeoffensive brach das Eis und wir wurden sogar noch auf Erdnüsse eingeladen.
Unser Fotoapparat war plötzlich kein Thema mehr. Tief bewegt hat mich dann die Aussage von Betty, die meinte ich sei die Schönere auf den Bildern. "Wieso?" fragte ich und sie antwortete „Weil ich weiss bin“.

Betty re. und die nette Marktfrauen Runde

Zwei Tage später erreichen wir dann endlich den Kidepo NP. Landschaftlich wunderschön gelegen, ein Tal umringt von Bergen des Südsudans und Ugandas. Auf der Campsite bewacht uns wie bereits im QENP an der Kongogrenze ein bewaffneter Ranger. Auch wenn die Tierdichte durch die jahrzehntelange Wilderei noch nicht das Niveau anderer Parks erreicht hat war es den Besuch wert. Mehr dazu in einem eigenen Nationalpark Special.

Kidepo NP - Naurus Valley

Jetzt wird es aber richtig wild. Wir durchqueren nun Westuganda, das Gebiet der Karamoja Halbnomaden. Wir haben schon viel gesehen in Afrika aber das ist eine andere Nummer.
Hier ist die Uhr stehen geblieben. Wie vor hunderten von Jahren sehen wir am Pistenrand hochgewachsene, hagere Männer mit Umhang, Stock und Ohrring, Mädchen mit bunten Halsschmuck und nackte Kinder mit aufgeblähten Bäuchen. Man lebt in sogenannten Manyattas, kralähnlichen Dörfern aus winzigen Strohhütten. Die Karamoja sind ein kriegerisches Volk und seit jeher Viehzüchter. Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit ähnlich wilden kenianischen Stämmen um Vieh und Land. In den letzten Jahren gelang es die Schusswaffen zu konfiszieren und die Region etwas zu beruhigen. Dennoch gibt es weiterhin Zusammenstösse wobei seither die weiterhin bewaffneten kenianischen Stämme im Vorteil sind.

traditioneller Karamojong

Der Afrikaner, der Wilde, hier stimmt dieses unschöne Bild. Vielleicht stammt diese Wildheit aber auch von den harten Lebensbedingungen. Norduganda ist deutlich trockener als der Rest des Landes und besonders der Westen leidet unter Regenmangel. Hier beherrscht Hunger den Alltag, der Kampf ums Überleben steht im Vordergrund. Hier leben die meisten Analphabeten, es gibt nur wenige Schulen oder medizinische Einrichtungen, kaum Brunnen, keine Hygiene. Die unterentwickeltste Region in ganz Uganda.
Wer uns sieht hält instinktiv die Hand auf. Zuerst können wir das nicht richtig werten aber bald bemerken wir die vielen Schilder vom UN World Food Programm. Die Menschen sind seit Jahren von Nahrungslieferungen abhängig.

Der nackte Kampf ums Überleben - Give me food
Es ist bedrückend diese Armut zu sehen aber auch befremdlich diese Wildheit um sich zu haben. Kein leichtes Unterfangen für Hilfsorganisationen hier einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden.
So richtig wohl fühlen wir uns nicht in der Gegend. In den Provinzstädten Kaabong und Kotido bleiben wir nur so lang als notwendig. Erst in Moroto stehen wir einige Tage auf der Hotelcampsite. Wir brauchen dringend Erholung. Insgesamt war die Nordrunde 1000 Kilometer lang und davon waren wir 850 Kilometer auf Pisten unterwegs.

Blick auf Mt. Moroto
Es war nicht unsere abgelegenste Route aber die Wildeste. Wir fühlten uns nie unsicher, haben keine Flüchtlingslager gesehen und auch keine Einschränkungen wegen der Südsudan Krise erlebt. Aber unser Ausspruch „Nie zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein“ hat in diesem Gebiet besondere Bedeutung.