Alles in Auflösung – Durchquerung von Sitalike nach Mwanza


Der Traum von der Freiheit auf Weltreisen, tun auf was man Lust hat, grenzenlose Selbstbestimmung und die schönsten Flecken der Erde sehen. Perfekt - wäre da nicht das lästige Drumherum.
Kritisch wird es wenn man auf einer 850 Kilometer langen Pistenetappe fährt, die schlimmsten Strassenverhältnisse bewältigen muss und sich das Auto langsam auflöst.

400 Kilometer mässige Piste haben wir zum Zeitpunkt der Abfahrt bereits in den Knochen und seit fast einer Woche bewegen wir uns im absoluten Nichts. Wir leben von unseren Vorräten, ausser Wasserflaschen und ein bisschen Gemüse lässt sich in diesem Gebiet nichts besorgen.
Tanzania ist ja grundsätzlich kein Konsum Schlaraffenland aber hier ist es ganz arg. Brotbacken gehört schon lange zu den Standardtätigkeiten. Ab und zu noch ein frischer Kuchen, aber das ist unser persönlicher Anspruch.

die Piste wird schlechter

Abgelegen unterwegs zu sein bedeutet auch wild zu campen. Eine Herausforderung obwohl wir durch endlosen Busch fahren. Diesmal ist nicht die Besiedelung das Problem sondern wie kommen wir von der Piste weg. Der Verkehr beschränkt sich zwar nur auf Busse und Lkw´s aber die rauschen meist mit absolut überhöhter Geschwindigkeit an uns vorbei und können kaum ausweichen. 
Achtung Gegenverkehr

Ein lebensgefährliches Schauspiel und so brauchen wir unbedingt einen  Übernachtungsplatz auf sicherem Terrain. Wir entdecken Baugruben als ideale Schlafstätte. Grosse ausgebaggerte Gruben die auch Sichtschutz bieten - ideal.
Sicherheit ist bei Wildcamping in Afrika immer ein Thema.
Wild campen

Wir brauchen einige dieser Plätze bis wir die Durchquerung geschafft haben denn die Pistenverhältnisse werden zunehmend schlechter und verlangsamen unser Weiterkommen drastisch. In Inyonga, einem kleinen Ort entlang der Strecke leiden wir besonders unter den furchtbaren Pistenzustand. Umso unglaublicher dann der Anblick der nagelneu asphaltierten Nebenstrasse im Ort.
Inyonga

Schon auf der gesamten Strecke erstaunt uns die Armut der Menschen und die gänzlich fehlende Infrastruktur. Es gibt weder medizinische Versorgungseinrichtungen noch ausreichend Schulen und dann diese Geldvernichtung. Niemand besitzt hier ein privates Auto oder Moped und die von Überlandbussen frequentierte Hauptstrasse bleibt vollkommen unsaniert. Ein typisches Beispiel wie Provinzpolitiker ihre Wählergunst erkaufen.
Wasser holen

Bald holen uns unsere eigenen Probleme wieder ein. Schon längst sollten Wartungsarbeiten am Unimog erledigt werden aber ausser Öl nachfüllen, immerhin verbrauchen wir beinahe 2,5 Liter auf 1000 Kilometer sind wir dafür abends zu angeschlagen.
Panne - die Fahrgäste sind gelassen

Der Busch setzt uns zu. Dichter Miombo Trockenwald und Heimat der Tsetse Fliege. Bereits im Katavi NP haben uns diese Biester stark zugesetzt aber seit Mpanda sind wir auf der Flucht. Die Fensterscheiben halten wir schon lange fest verschlossen und jetzt können wir nicht einmal mehr aussteigen. Sofort fallen sie wie ein Schwarm über uns her. Wir schaffen es gerade noch in den Aufbau. Dort, wie auch beim Umstieg in die Fahrerkabine heisst es zuerst alle erschlagen oder zu Tode sprühen. Die Zähigkeit der Viecher ist immens und bedeutet Kampf. Für uns die schwierigsten Bedingungen die wir bisher meistern mussten.
Tsetse Fliege - die afrikanische Bremse und Überträger der Schlafkrankheit

Nach 2 Tagen ohne jegliche Möglichkeit sich im Freien aufzuhalten vergeht uns jeglicher Spass. Wir sind ausgelaugt und möchten nur noch raus aus diesem Gebiet. Jetzt ist klar wieso die Region so dünn besiedelt ist.

Erst nach weiteren 250 Kilometern erreichen wir in Tabora wieder Asphalt. Insgesamt haben wir damit 850 Kilometer durchgehend auf Pisten zurückgelegt.

Die ersten Folgen der Schüttelei lassen nicht lange auf sich warten, das Solarpanel dass wir schon in Dubai reparieren mussten ist wieder ausgefallen und unser Batterieladegerät hat auch einen Wackelkontakt.
Unsere Vorräte gehen zur Neige. Später merken wir auch noch dass es an der Hinterachse leckt und es gerade den Pol der Autobatterie zersetzt weil sie undicht ist. Dennoch der Unimog läuft noch. Der hält echt was aus.
immer gut drauf

Wir sehnen uns nach Zivilisation und hoffen diese in der zweitgrössten Stadt Tanzanias, in Mwanza zu finden. Die Stadt liegt direkt am Viktoriasee, dem grössten See Afrikas berühmt durch den Nilbarsch. In den sechziger Jahren wurde dieser sich schnell vermehrende Fisch eingesetzt um die Bevölkerung besser zu ernähren. Die Folge waren leider ein gestörtes Ökosystem, das Aussterben der Cichliden (ursprünglich heimischer Buntbarsche) und die Ausbreitung von Algen.
Trotzdem sollte sich der Platz für einen Urlaub eignen. Zuerst aber suchen wir einen Supermarkt. Nach zwei Stunden und fünf abgeklapperten Geschäften haben wir endlich die Einkäufe erledigt. Nur Streichkäse war nirgends aufzutreiben.
Holzkkohletransport

Als Campingplatz wählen wir den hiesigen Yachtclub. Bis auf ein paar kleinere Boote ist nicht viel los aber hier tummeln sich die Reichen der Stadt. Wenn man in Afrika etwas braucht muss man nur die richtigen Leute kennen und schon eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Wir haben Glück und man vermittelt uns eine fähige Mechaniker Truppe die uns am nächsten Tag den undichten Simmering der Hinterachsen Antriebswelle gleich direkt am Campingplatz erfolgreich wechselt. Die Dichtung hatten wir als Ersatzteil dabei. Es findet sich sogar eine Werkstatt die kaputte Batterien wieder repariert. Was in Europa im Müll landet wird in Afrika problemlos in Stand gesetzt. Recycling auf höchstem Niveau. Die Wegwerfgesellschaft der Industrienationen könnte sich daran ein Vorbild nehmen.
wild aber kompetent

Uns bleibt kaum Zeit die wunderschöne von Palmen umrandete Campingwiese mit Blick auf die Stadt zu geniessen. Es gibt einfach zu viel zu tun.
Die Solaranlage zusammen flicken, Berge von Wäsche waschen, Luftfilter ausblasen, alle Schrauben wieder festziehen, Ölstände kontrollieren, Fotos sichten, Blog schreiben, Tagebuch nachtragen, Putzen, Brotbacken,…..
Der ganz normale Alltag einer Weltreise.

Yachtclub in Mwanza