Orient trifft Okzident

"Zu Hause ist es am schönsten" 
Geborgen im vertrauten Kulturkreis, umgeben von Familie und Freunden. Nach fast einem Jahr Nomadenleben ist das Heimatgefühl besonders intensiv. Schliesslich reisten wir monatelang durch die muslime Welt und das hat Spuren hinterlassen.

Persönliche Einsichten über zwei völlig verschiedene Welten.





EINKAUFEN- Shopping als Freizeitbeschäftigung
Fast könnte man meinen im Orient wurde Shopping erfunden. Wer orientalische Bazare kennt weiss was wir meinen. Einkaufen mit allen Sinnen könnte man es in der Werbesprache nennen. Bunte Farben, betörende Gerüche, das Flair der engen Gassen. Keine Mega Shopping Mall kann hier mithalten. Im Iran und manchen nordafrikanischen Ländern findet man diese Kultur noch ausgiebig. Auf der arabischen Halbinsel verdrängen Reichtum und internationale Ketten mehr und mehr diese Tradition. Genügsames Händlertum weicht der Profitgier der globalisierten Welt.
Hoch lebe unser Greissler im Ort.









 
















RELIGION - Muezzin und Kirchenglocke
Ohne Wertung stellen wir eines fest - Unsere Dorf Kirchenglocke erinnert uns im weitesten Sinne an das Leben in der islamischen Welt. Täglich um 6 Uhr früh und abends um 7 Uhr ertönt das Glockenkonzert, Messfeiern werden noch extra eingeläutet. Der Muezzin ruft drei mal pro Tag (bei Schiiten) bzw. fünf mal pro Tag (bei Sunniten) vom Minarett der Moschee. Wir finden die Art und Weise wie beide Religionen ihre Gläubigen ans Gebet erinnern sehr ähnlich. Obwohl unsere Glocke auch noch eine Nebenbeschäftigung hat - sie bimmelt viertelstündlich die Zeit und fungiert gleichzeitig als Uhr. Das haben die im Islam noch nicht abgeschaut.



























ESSEN -  Es geht um die Wurst
Die Esskultur und deren Gerichte sind in jeder Kultur unterschiedlich und gerade die türkische, persische und arabische Küche bieten sehr wohlschmeckende Kompositionen. Gekocht wird mit frischen Zutaten, viel Gemüse weniger Fleisch. Und obwohl wir Lamm, Rind, Huhn und Fisch lieben haben wir unbeschreiblichen Appetit auf  Würste und Schweinefleisch entwickelt. Ein leckeres Schweinskotelett ist nicht überlebenswichtig aber es ist ein Teil Heimat den wir vermisst haben.






PÜNKTLICHKEIT UND HEKTIK - Abwarten und Teetrinken
Wer in der arabischen Welt Termine vereinbart lernt Gelassenheit und Geduld zu üben. Der Uhrzeitbegriff ist dort dehnbar und eine Stunde Verspätung ist Normalität. Auch wäre man falsch beraten beim Gespräch gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Zuerst erkundigt man sich über dasWohlbefinden der Familie, spricht dies und das und erst zum Schluss kommt das Geschäftliche an die Reihe. Ob die BurnOut kennen? Leider haben wir das in der westlichen Kultur verloren. Alles ist getaktet und die Menschen wirken gehetzt. Man kann es fast an den Gesichtszügen ablesen.
Nur die Iraner haben einen vergleichbaren Zeitbegriff wie wir aber sie legen ja auch besonderen Wert nicht als Araber gesehen zu werden.


























UMGANG MIT IMMIGRANTEN - Willkommen oder geduldet
Flüchtlingskrise, Migranten, Integration, die Nachrichten sind voll mit Meldungen zu diesem Thema.  Eine wahre Völkerwanderung hat sich seit unserer Abreise entwickelt. Gerade im Iran wurden wir mehrmalig auf den Umstand angesprochen, dass einige europäische Staaten die Pforten geöffnet haben. So verwundert es nicht dass sich daraus eine nicht mehr kontrollierbare Migrationsbewegung entwickelte. "Die Geister die ich rief, die werd ich nicht mehr los" hat denn kein Politiker je Goethes Zauberlehrling gelesen? Interessant ist der Ansatz der Staaten die wir bereist haben. Die Türkei hat ja selbst mit eigenen Volksgruppen ein Problem und uns hätte man ohne Visum einfach an der Grenze abgewiesen. Im Iran werden geflüchtete Afghanen zwar geduldet aber ihre Kinder dürfen keine Schule besuchen. Ganz radikal sind die Golfstaaten. Dort werden Aufenthaltsbewilligungen nur mit Arbeitsnachweis vergeben und Nichtstaatsbürger bei Gesetzesverstössen sofort des Landes verwiesen. Ohne gültigem Visum hätte wir uns nirgends bewegen dürfen, wären wahrscheinlich eingesperrt oder aus dem Land geworfen worden. Kein Wunder also, dass Europa als das neue gelobte Land gilt. Der hehre europäische Humanitätsansatz ging nach hinten los und trifft am Ende die wahren Kriegsflüchtlinge, denn für die ist kein Platz mehr übrig.













GASTFREUNDSCHAFT - Tee und Datteln
Hand aufs Herz -Wer hat schon mal Fremde zur Jause eingeladen oder überhaupt jemanden auf der Strasse angesprochen? oder ein Foto von einem Ausländer mit seinem Smartphone aufgenommen! Sind wir in Europa zu distanziert, zu misstrauisch oder haben wir es einfach verlernt?  Wahrscheinlich denken wir zu kapitalistisch und erwarten in unserer Leistungsgesellschaft immer auch Bezahlung. Oder fehlt es nur an Musse und Zeit? In unserer Gesellschaft existiert einfach kein einheitlicher Kodex für Gäste, es hat keine Tradition.
Im Orient dagegen ist Gastfreundschaft ein Kulturgut, das sich über Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende entwickelt hat. Allerdings beruht es auf einem System von Geben und Nehmen und sorgt damit für Ausgleich. "Wo gibt's was gratis?" - unsere gesellschaftliche Neigung zum Schmarotzertum ist dafür leider ungeeignet.



VERKEHR - Alles bewegt sich
Hier gilt die StVO (die Strassenverkehrsordnung). Grundsätzlich sind wir keine Freunde von Überreglementierung aber was den Verkehr angeht empfinden wir das als Errungenschaft. Wir wussten gar nicht mehr wie entspannend ein geregelter Verkehrsfluss sein kann. Zwar wird es hierzulande mit den vielen Ampeln oft übertrieben und der Vertrauengrundsatz hält auch nicht immer was er verspricht aber auf eine Stop Tafel ist halt noch Verlass.
Obwohl, eines haben wir gelernt - Staus könnten durchaus durch mehr Dynamik und Flexibilität vermieden werden. Immerhin fliessen tut er fast immer, der wirre Verkehr im Orient.

























RECYCLING - Altes oder Neues
Tonnen von Lebensmitteln landen täglich in den Industrieländern im Müll. Ganz zu schweigen von den vielen Gütern die wir tauschen weil wir einfach etwas Neues wollen. Wir sind zu einer Wegwerfgesellschaft verkommen. Eine Rückbesinnung auf die nachhaltigere Nutzung von Ressourcen würde uns guttun. Für uns war es immer wieder ein Erlebnis zu sehen was in anderen Ländern alles wiederverwertet wird. Wir sind keine Grünaktivisten aber eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Konsumverhalten würde manche Umweltprobleme zumindest verringern.  Not macht nämlich nicht nur erfinderisch sondern auch kreativ.