Ashura in Khoubanan




Wir sind abseits aller Touristenrouten in der Bergwüste der Lut Desert unterwegs. Das Panorama ist grossartig, die Strassen sind, wie so oft im Iran in miserablen Zustand. Unser GPS ist bei der Orientierung wenig hilfreich, schon längst fahren wir nur noch nach Himmelsrichtung denn die Wegweiser sind ausschliesslich auf Arabisch. Am Stadtrand eines kleinen Ortes, gerade haben wir die Kontrolle der Geheimpolizei erledigt, fällt uns die neue Bruchstelle am Dachträger auf.

Also zurück in die kleine Stadt. Nach wenigen Metern auf der Hauptstrasse stoppt uns die grüne Polizei. Diesmal ein Anlass zur Freude denn wir nutzen sie als Wegweiser zur nächsten Werkstatt. Mit Polizeieskorte fahren wir bei der unscheinbaren Schlosserei vor. Während der Dachträger fachmännisch repariert wird ist einiges los. 

Ein Polizeiauto nach dem anderen schaut nach dem Rechten, „Geheimdienstleute“ in zivil versorgen uns mit Linsensuppe, wieder andere bringen uns ein Schreiben vom obersten religilösen Führer Ali Khamenei und schlussendlich überreicht man uns auch noch einen Stadtplan mit allen Sehenswürdigkeiten.

Rundgang mit Hamid und Familie


Inzwischen wissen wir dass wir in der Stadt Khoubanan gelandet sind und die nächsten zwei Tage die Ashura Zeremonien stattfinden zu dem wir herzlich eingeladen sind. Ashura ist das wichtigste religiöse Ereignis für schiitische Moslems und erinnert an die Ermordung des 3. Imams Hossein, 680 n. Chr., dem letzten Nachkommen des Propheten Mohammeds.
Wir fühlen uns sehr willkommen und entscheiden spontan zu bleiben. 
Unseren Unimog parken wir bei bei einer Moschee und am frühen Nachmittag holt uns Mehid, der Geheimdienstmann, der uns als Leiter des Büros für kulturelles Erbe (für uns klingt das wie die Heimatschutzbehörde)  vorgestellt wird und sein englisch sprechender Freund Hamid zu einem Besichtigungsprogramm ab. Alle Sehenswürdigkeiten des Ortes werden uns gezeigt, alte Herrschaftshäuser, ein Badehaus, Hammam genannt, ein Grabmal eines religiösen Führers und sonstige wichtige Plätze meist mit religiösem Hintergrund.

Einladung zum Mittagessen
Am nächsten Tag werden wir schon um 6 Uhr geweckt. Man bringt uns einen Frühstücksbrei im Namen von Imam Hossein. Wir wundern uns noch etwas, wissen wir doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass zu Ashura die gesamte Bevölkerung von früh bis spät mit Essen versorgt wird. Mit solchen Massnahmen könnte sicherlich auch die christliche Kirche ihre Anhängerschaft wieder erhöhen.
Vormittags treffen wir uns mit Hamid, dessen Bruder Hossein, deren Familien und weiteren Freunden, darunter auch Mehid, der Chef der Heimatschutzbehörde  und fahren in ein kleines Dorf um an den Ashura Feierlichkeiten teilzunehmen. Wir tauchen ein in eine Welt tiefer Religiosität und Traditionsverbundenheit. Es ist ein Privileg an diesen Feierlichkeiten als nicht Muslime teilhaben zu dürfen.

Geistlicher in Höchstform
Unsere Gastgeber sind wahrhaftig bemüht uns in die Riten und Bräuche einzuführen. Wir erfahren dass Ashura vorallem aus Bußezeremonien besteht, sehen Männergruppen die zu taktvollen Trommelschlägen rythmisch als Prozession vorbeiziehen und manche die sich selbst geisseln.  

Ashura 

Frauen beim Gebet

Es ist ein mitreisendes Schauspiel von lautem Gesang mit immer den gleichen Worten Ashura und Hossein und den im Gleichklang praktizierten Schritten und Gesten, die Akteure wie Zuschauer  gleichermassen fesselt. Zwischendurch dürfen wir auch die „Grossküchen“, meist im Keller von Moscheen besuchen wo das viele Essen zubereitet wird. Nichts für Vegetarier.

gemeinsame Kochvorbereitung
Abends gibt es wieder Essen im Namen von Hossein, diesmal direkt in der Moschee. Wir breiten uns am Teppich aus und geniessen Reis mit etwas Fleischsosse und Dur, ein Gemisch aus Wasser und Jogurt.
Spätnachts kehren wir zu unserem Unimog zurück und werden noch von der Polizei an einen neuen besonders sicheren Platz geleitet wo wir die Nacht über stehen können. Am nächsten Tag beginnt das Fest bereits Frühmorgens. Trommeln stimmen alle auf die bevorstehende Zeremonie ein. Wieder kümmern sich unsere Gastgeber rührend um uns. Im Laufe des Tages werden wir immer wieder umringt von neugierigen Iranern und mit Fragen überhäuft. Schlussendlich gibt Fredi sogar ein Interview an einen Reporter der Lokalzeitung.

Informationsaustausch in der Moschee
Irgendwann müssen wir dann doch auf Abschied drängen denn Reisen heisst auch weiterziehen.
Uns wurde Einblick in die iranische Gesellschaft und das Familienleben gewährt. Wir wurden aufgenommen in eine streng konservativ islamische Welt und haben uns sehr wohlgefühlt. Trotz Sprachbarrieren gab es kaum Verständigungsprobleme. Wir haben Freunde gefunden und das Lebewohl fällt schwer. Als Abschiedsgruss gibt es österreichische Spezialitäten aus unserer Vorratskiste gegen Kopftuch und iranischen Leckereien.

Reisen bescheren oft besondere Momente aber dieses Erlebnis zählen wir zu den seltenen Aussergewöhnlichen.